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Forum: Implantologie

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Thema:
Autoimmunerkrankung und Titanimplantate
Anzahl der Beiträge: 3

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erstellt: 10.06.2012 - 08:28

delia aus ...

ich habe keine frage, ich möchte etwas berichten:

liebe leser des forums,

ich möchte euch von meinen erfahrungen mit einer autoimmunerkrankung (ich bin 51 jahre alt und habe seit 33 jahren ms, voll gehfähig, arbeitend) und titanimplantaten berichten. vielleicht kann der eine oder andere von euch davon profitieren.

vor drei jahren ließ ich mir sieben implantate setzen (vier im oberkiefer, drei im unterkiefer). zwei im ok verlor ich nach ein paar wochen, da sie statt im knochen in der nase, bzw., im nasenwinkel standen; der rest schien soweit in ordnung zu sein.

vor der implantation hatte ich beim imd berlin/dr. von baehr einen titanstimulationstest, eine effektorzelltypisierung und einen genetischen prädispositionstest/entzündungsneigung machen lassen. die ergebnisse waren unauffällig, also entschloss ich mich zur implantation.

zwei wochen nach der implantation erkrankte ich an einem heftigen ms-schub (der erste seit 15 jahren!) mit neuen herden, der sich sehr lange zeit hinzog.
gleichzeitig pochten und puckerten die implantate ununterbrochen.
irgendwann war der schub vorbei, aber ich nicht wieder gesund. ich kam einfach nicht mehr "auf einen grünen zweig", fühlte mich ständig krank, so, als hätte ich eine grippe.
meine neurologin sah keinen zusammenhang mit der implantation, der zahnarzt und kieferchirurg auch nicht.
mein gefühl sagte mir etwas anderes, aber ich riss mich zusammen. hielt monat für monat und jahr für jahr durch, ignorierte das in drei jahren niemals aufhörende puckern und hielt mich an die aussagen der ärzte: "titan und ms stören sich nicht!"

manchmal bekam ich wirklich angst, ich schaffte meine arbeit kaum noch und lag nur noch erschöpft auf dem sofa und hatte täglich mit der ms zu tun/kämpfen - das war in den jahren vor der implantation nie der fall. ich hatte einfach keinerlei kraft mehr, zudem bekam ich nach ca. eineinhalb jahren auch noch immer weiter zunehmende trigeminusschmerzen (die ich vorher noch nie hatte) im oberkiefer und rechten unterkiefer. sie gingen direkt von den implantaten aus und ließen sich auch durch druck darauf auslösen.
die schmerzen wurden so schlimm, dass auch novalgin nichts mehr ausrichtete und der zahnarzt empfahl mir opiate und lyrica, ein epilepsiemittel, dass schmerzanfälle bereists im gehirn unterdrücken soll. diesen rat fand fand ich nicht hilfreich und auch an der lösung des problems vorbei gehend.
meine wiederholten fragen, ob es nicht doch an den implantaten liegen könnte, verneinte der zahnarzt kategorisch. auf dem röntgenbild, 2 d, sei schließlich nichts zu sehen.

schließlich ging ich, selbst veranlasst, zu einem dvt. es stellte sich heraus, dass die im implantate im uk mit mehreren gewindedrehungen nicht mehr im knochen standen und der knochen sich abgebaut hatte. dieser prozess geht durch minientzündungen vonstatten. im mund selbst waren die implantate ohne befund, sondern "top gepflegt", laut aussage des zahnarztes.
im oberkiefer waren keine knochenveränderungen an den implantaten zu sehen, aber zwei andere kieferchirurgen sagten, dass das nichts bedeuten müssen. es sei nicht häufig, aber bekannt, dass immmunologisch gestörte patienten, schwierig auf implantate reagieren.

derzeit sind vier der fünf implantate bei mir wieder entfernt (das letzte kommt in drei wochen dran), meine trigeminusschmerzen wie weggeblasen und ich habe erstmalig wieder "freie", nicht taube, beine (so wie vor der implantation). es geht mir jeden tag besser, ich gehe wieder spazieren und die kraft kommt fast stündlich zurück.

fazit: ich muss jetzt eine vollprothese tragen, das ist nicht schön und vom komfort nicht annähernd mit den implantaten vergleichbar, aber es ist besser, kraft zu haben und gesund zu sein, als unter dem titan zu leiden.

ich möchte autoimmunerkrankten dringend davon abraten, sich titanimplantate setzen zu lassen; einen überblick über die problematik der immunologischen prozesse bei titan-implantaten gibt es auf der internetseite vom imd berlin und dr. lechner/münchen. das imd bekommt zudem täglich anrufe, in der patienten dieselben beschwerden wie ich schildern - und die zahnärzte das als spinnerei abtun. die erfahrung des imd lautet: sieben von zehn patienten, die sich die implantate wieder entfernen lassen, geht es schnell wieder blendend, bei den restlichen dreien persistieren die beschwerden.

ich möchte wirklich warnen vor titan-implantaten bei autoimmunerkrankungen, mich hätten sie in absehbarer zeit arbeitsunfähig gemacht und in den rollstuhl gebracht - jetzt ist alles fast wieder gut.

ein weiteres problem war übrigens: der kieferchirurg, der mir die implantate gesetzt hat, weigerte sich kategorisch zu entfernen, weil ja "im mund keine entzündung und kein eiter zu sehen ist" und er damit gute arbeit geleistet habe.
so musste ich dann mühsam einen anderen freundlichen, fähigen kollegen suchte, der mir die implantate wieder entfernte.

niemand kann genau sagen, welche immunologischen prozesse sich bei ms und implantaten abspielen und wie sie sich gegenseitig triggern und hochschaukeln.
ich persönlich habe damit eine fast lebensgefährliche erfahrung gemacht, daher plädiere ich dafür, es sich wirklich zehn mal zu überlegen, bevor man sich implantate setzen lässt, bzw, sich im zweifel dagegegn zu entscheiden.

ich hoffe, ich konnte dem ein oder anderen hier helfen oder ihn vor schaden bewahren. jeder darf mich auch gerne privat anschreiben unter bluebell7777 at t minus online punkt de.

herzliche grüße, delia

Vielen Dank Delia,
für die umfassende und besonnene aber ehrliche Darstellung Ihrer Probleme und Erfahrungen.
Ich kann diese Erfahrung auch an Patienten von mir bestätigen. Autoimmunerkrankungen und Implantate können Probleme verursachen, wahrscheinlich, weil beim Re-Modelling der Rankl-Komplex (Knochenab- und Knochenanbau) gestört ist. Der Körper verspürt die Information, er solle Knochen abbauen durch die Information von Zytokinen, während "klinisch" eigentlich keine Entzündung vorliegt. Dem Patienten kann das egal sein, wo das Problem liegt: er selbst fühlt sich immer "gerädert", bis der Fremdkörper Implantat (egal ob Titan oder Keramik) entfernt ist. Das hat uns in den 80er Jahren übrigens schon Prof. Schulte von der Uniklinik Tübingen nahegelegt, keine Implantate (damals die ersten "Keramikimplantate" mit großer Verbreitung) bei Autoimmunerkrankten anzuwenden.
Ihnen wünsche ich nach dem langen Leidensweg wieder mehr Stabilität und inneren Frieden und Kraft und wünsche den Kollegen mehr Zurückhaltung bei autoimmunerkrankten Patienten.
Gruß
Dirlewanger

Liebe Delia
Hier kann ich mich der Meinung meines Kollegen nur anschließen. Ein chronisch erkrankter Patient bedarf einer besonders großen Umsicht bei der Therapieplanung. "Nil nocere" , nicht schaden sollte die erste Priorität sein, wenn man sich nicht sicher ist, wie das System eines chronisch erkrankten Patienten auf einen Eingriff reagiert.
Viele Grüße,
Dr. Jörn-Oliver Noffke


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